Es dürfte so vor ungefähr 6 1⁄2 Jahren gewesen sein, als ich da das erste Mal vorstellig wurde. Im Nachhinein, wenn ich in meinen Erinnerungen wühle, umschmeichelt ein leichtes Schmunzeln die Lippen. Es müsste etwa in der Jahresmitte von 2000 liegen, als ich meine Ausbildung als Büroinformationselektroniker, nach 1 1⁄2 Jahren, verlor.
Damals, voller Stolz, bekam ich eine Zusage von einem Unternehmen, welches später für mich (und andere) sich als die Hölle von Erden zeigte. Noch heute bekomme ich Alpträume und habe die dortigen Erfahrungen nie wirklich verarbeiten können.
Keiner aus der Familie wusste von allem dem. Sie glaubten nach wie vor, ich hätte eine Ausbildung in Frankfurt. Oftmals erzählte ich, nicht ohne einen gewissen Stolz, von meiner Chefin, einer Frau die sich durchzusetzen wusste und doch freundlich war – die ersten sechs Monate. Die Mitarbeiter warnten mich vor, doch ich ignorierte sie. Meine Mutter und Tante hatten mich aber ebenfalls zur Vorsicht gemahnt. Ich weiß nicht warum, oder aus welchen Gründen.
Aus Scham erwähnte ich kein Wort von dem Desaster dort.
Mit der S-Bahn und der Bahn fuhr ich jeweils in die Firma und nach hause. Ich weiß auch noch, an Weihnachten, vermutlich ’99, stand ich an den S-Bahn Gleisen und fühlte den Gedanken, wie es wäre, einfach so zu verschwinden. All den Kummer hinter mich zu bringen, kein Stress, keine Magenschmerzen mehr, wieder richtig essen können. Ja, das waren schöne Gedanken, sie waren verlockend. Ob sie auch den Wunsch erfüllt hätten, der Firma die Ausbildungsgenehmigung zu entziehen, nach meinem Suizid?
Doch den Mut, es wirklich zu wagen, hatte ich nicht. Vielleicht hielt mich auch etwas anderes am Leben. Weiß nicht.
– Ich war 18 Jahre alt –
Ohne Ausbildung, voller Wut und Enttäuschung, mich von den letzten Resten des Gehaltes ernährend, hielt ich mich soweit über Wasser, bis die Ressourcen zu neige gingen. Die Handwerkskammer und Co. haben zwar viel geredet, aber geholfen haben sie nicht. Nur ein Freund in der selbigen Firma (dem ich zutiefst Dankbar bin), wollte mir helfen und nannte mir Telefonnummer und Adresse von jemanden, der noch sucht.
Natürlich haben wir uns bei der IHK und Handwerkskammer beschwert, aber es war sinnlos. Man hat uns einfach im Regen stehen gelassen. Nach der Entlassung und wieder Einstellungen, erwirkt durch eine Klage, da die Abmahnungen als nichtig erkannt worden sind, kam dann die richtige Kündigung – im beidseitigem Einverständnis – wie es so schön heißt, mit einer Abfindung.
Mein Portemonnaie hielt nur noch zwei DM (od. waren es schon Euro?) für mich bereit; da entschloss ich mich, eine Zeitarbeitsfirma aufzusuchen, um die Zeit zu überbrücken, bis zur nächsten Ausbildung. In Pfungstadt fand ich eine Firma (die auch Kunde bei uns ist), die Lagerhelfer suchten. Kurz, ich bewarb mich und wurde genommen. Die Arbeit war doch recht hart und mit leerem Magen noch schwerer. Doch ich hielt ein paar Tage durch.
Als ich mich dorthin begab, nahm ich auf dem Hinweg ein Außenschild von der CS&T war. Mein Herz schlug ein wenig energischer und ich nahm mir vor, mich dort zu bewerben. Wenn schon nicht für eine Ausbildung, dann doch wenigstens als Aushilfe.
Mit den Unterlagen für die Lagerarbeitsfirma, stellte ich mich dort vor. Ein scheuer Blick durch den Türspalt und einem sanften „Hallo?“ ließ die Sekretärin auf mich zukommen. Ich stellte mich ordnungsgemäß vor und trug mein Anliegen vor, welches recht schnell abgelehnt wurde, doch ich ließ nicht so schnell von meinem Vorhaben ab. Ich schlug vor, einfach als Aushilfe zu arbeiten und ließ mein Wissen von Win’95 bis Win2000, TCP und Co. auf sie los.
Völlig überfordert mit dem Schwall an ungefragten Informationen, holte sie einen der Chefs (der später mein Ausbilder wurde) und nahm sich Zeit für mich. Ein erstes Interesse war geweckt: Ich bekam den Aushilfsjob.
Nach einiger Einarbeitung fühlte ich mich schnell sehr wohl in meiner Haut und erzählte meine bisherige Historie.
Die Firma CS&T hatte mich als aufgenommen und nach ein paar Wochen entschlossen sich meine Chefs, mich in die Ausbildung zu nehmen. Da ich 1 1⁄2 Jahre schon hatte, hätte diese Zeit angerechnet werden können, doch nach ein paar Probestunden in der Schule als iT-Systemelektroniker, startete ich einen Neuanfang. Wieder 3 1⁄2 Jahre. Später wechselte ich zum iT-Fachinformatiker im Bereich Systemintegration. Es war allerdings mehr ein Wechsel auf dem Papier. Geändert hat sich für mich fast nichts, bis auf ein zwei Schulstunden weniger.
Nach dieser schwierigen Phase hatte ich nun wieder ein zweites Zuhause, zwei wunderbare Chefs und eine liebenswerte Sekretärin . Unser Team war komplett.
Nachdem ich den Ausbildungsvertrag in der Tasche hatte, konnte ich nun die gesamte Geschichte meiner Mutter erklären, was sie damals dachte, kann ich mir vorstellen, behielt es aber für sich.
Ich war der Meinung, die schwierigen Zeiten seien vorbei, doch da zersprang die .com Blase, in viele kleine Splitter.
Uns traf es besonders hart, da unter anderem ein großer Kunde weggefallen ist, der bei uns einen sehr hohen Umsatz generiert hat. Desweiteren kam noch der Wechsel von der Gbr zur GmbH mit schlechten Beratern.
Das Erste „Opfer“ war die Sekretärin, später (auch noch aus anderen Gründen) der zweite Chef, mein ehemaliger Ausbilder.
Ehe ich mich versah, waren wir nur noch zu zweit.
Aus dem Chef ist längst ein Freund geworden und wir hatten gemeinsame Höhe und Tiefen zu bewältigen, von denen mir heute noch ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft.
6 1⁄2 Jahre. Eine lange Zeit, wie ich finde. Mein Schicksalsrad dreht sich unaufhörlich weiter und öffnet mir erneut einen Weg.
Ich hatte schon so viele Phasen von unglaublichen Pech, doch nicht ohne Ausgleich. Wenn es etwas gibt, was ich gelernt habe, dann, das ich mich darauf verlassen kann, immer Glück zu haben, wenn ich es am meisten benötige. Seither kann mich nur wenig erschüttern.
Ich werde vieles vermissen, wie einige sehr nette Kunden, meinen Chef, meinen treuen Arbeitspc und sicher noch vieles mehr.
Vielen Dank Ingolf, für diese wunderbare Zeit!